Mehr Europa und weniger nationaler Egoismus - Einwurf von Gabriele Bischoff und Rainer Wieland

Die gegenwärtige Pandemie ist eine Erfahrung, die wir seit Generationen nicht mehr gemacht haben, das Corona-Virus bricht nun mit voller Gewalt über eine stark vernetzte Welt herein. Warum macht sich die überparteiliche Europa-Union Deutschland gerade jetzt für mehr europäische Integration stark?

Die Globalisierung hat sicherlich zur Geschwindigkeit beigetragen, mit der das Virus sich von Kontinent zu Kontinent verbreitet. Sie ist aber auch eine Chance, weil nun weltweit viele Forschende in engem Austausch stehen und alles daransetzen, ein bereits zugelassenes Medikament zu identifizieren, das die schweren Krankheitsverläufe abmildern kann, und sobald als möglich auch einen Impfstoff. Die EU-Kommission finanziert beispielsweise in erheblichen Maße Projekte im Rahmen von CEPI, einer Partnerschaft aus öffentlichen, privaten, philanthropischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, um Impfstoffe gegen künftige Epidemien zu entwickeln.

Das Corona-Virus ist eine große Gefahr für das Leben besonders älterer und vorerkrankter Menschen. Deshalb kommt es nun darauf an, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger, Jung und Alt, solidarisch und verantwortlich zeigen. Jede und jeder muss durch Besonnenheit und Anpassungsfähigkeit dazu beitragen, dass ein exponentieller Anstieg der Infektionen vermieden wird.

Zweifelsohne wird man aus dieser Erfahrung lernen, dass ein europäisch abgestimmtes Vorgehen besser ist als ein Flickenteppich an nationalen Aktionen und Maßnahmen. Denn ein Virus kennt keine nationalen Grenzen. Die Krise wird uns lehren, ob Grenzschließungen hinsichtlich des Personenreiseverkehrs ein probates Mittel sind – sie haben jedenfalls das Potential, die Auswirkungen der Krise zu verschärfen, wenn der freie Warenverkehr eingeschränkt wird.

Grenzschließungen tragen zu einem weiteren Rückgang des Angebots auf den Märkten bei, gefährden die Versorgungssicherheit, aber auch viele Unternehmen, die ohnehin vor gewaltigen finanziellen Problemen stehen. Daher gefährden sie auch viele Arbeitsplätze, wo es doch gerade jetzt darauf ankommt, diese zu erhalten.

Hinzu kommt, dass bestimmte lebens- und überlebenswichtige Vorprodukte und Erzeugnisse im europäischen Binnenmarkt für alle Europäerinnen und Europäer verfügbar sein müssen. Es wird deutlich, welchen Stellenwert gut ausgestattete öffentliche Gesundheitssysteme haben. Öffentliche Daseinsvorsorge muss einen neuen Stellenwert in Europa bekommen. Wird sie als gemeinsames Gut erfahren, das allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung steht, wird Europa gestärkt aus dieser Prüfung hervorgehen.

Dass die Menschen in den kommenden Wochen möglichst wenig Sozialkontakt haben sollen, um die Ausbreitung der Seuche zu verlangsamen, ist sinnvoll, ja notwendig. Dies kann am besten durch koordinierte Maßnahmen erreicht werden, die zeitgleich in der gesamten EU durchgesetzt werden, und rechtfertigt keine nationalen Alleingänge.

Europa braucht neue Instrumente und Mechanismen, um Herausforderungen wie diese Pandemie gut bestehen zu können. Es braucht einen deutlich besseren, schnelleren Informationsaustausch zwischen den europäischen Regionen und gemeinsame Krisenreaktions-, hier konkret Pandemiepläne. Die Europa-Union fordert auch für diese Bereiche seit langem mehr Europa.

Diejenigen, die jetzt pauschal die Europäische Union kritisieren, sie sei zu ohnmächtig, würden einen besseren Beitrag leisten, wenn sie sich mit klugen Vorschlägen auch zu normalen Zeiten für mehr europäische Zusammenarbeit und grenzüberschreitende Lösungen einsetzten.

Die Europa-Union Deutschland setzt auf entschlossenes, europäisches Handeln, um den unsichtbaren Feind namens Covid-19 zu besiegen. Nationalismus wird das Virus nur noch gefährlicher machen als es ohnehin schon ist. Jetzt heißt es erst recht #BesserZusammen! Dafür machen wir uns auch als Mitglieder des Europäischen Parlaments stark.


Rainer Wieland ist Präsident der überparteilichen Europa-Union Deutschland e.V. und Vizepräsident des Europäischen Parlaments.

Gabriele Bischoff ist Vize-Präsidentin der Europa-Union Deutschland e.V. und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Konstitutionelle Fragen im Europäischen Parlament